Zuversicht

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PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG

Die Kraft der Zuversicht - innere Freiheit gewinnen!

Januar 2021

2021 beginnt wie das Jahr 2020 geendet hat – die Zumutung der Corona Pandemie hält uns weiterhin in Atem. Erneuter Lockdown mit ungewisser Dauer. Zunehmend genervte Menschen, die ihr „normales“ Leben zurückhaben wollen. Existentielle Ängste bei Vielen. Aber auch Hoffnung auf den Impfstoff.

In Zeiten der Verunsicherung, hohen Belastung oder Spannung geht es psychologisch gesehen darum, einen konstruktiv positiven Blick auf die Zukunft zu behalten, der mehr beinhaltet als die kindlich naive Vorstellung, dass am Ende schon irgendwie alles gut wird. Zuversichtlich sein bedeutet, eigene Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen und proaktiv zu nutzen.

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STICHWORTE

Zuversicht
Innere Freiheit
Hoffnung

Was bedeutet Zuversicht?

„Für mich ist Zuversicht eine unserer Vitalfähigkeiten“, sagt die Philosophin und Autorin Natalie Knapp. „Es gibt unterschiedliche psychische Urkräfte, die uns so etwas wie Lebensenergie geben: die Liebe gehört dazu – und eben die Zuversicht.“

Der Begriff Zuversicht stammt vom mittelhochdeutschen „zuoversiht“ bzw. dem althochdeutschen „zuofirsiht“ ab, was ursprünglich „ehrfurchtsvolles Aufschauen, Hoffen“ bedeutete. Heute bezeichnen wir mit Zuversicht eine Haltung zum Leben, die ein festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft beinhaltet und auf die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen gerichtet ist.

Dabei kann es sich um eine temporäre Haltung handeln, die sich nur auf bestimmte Ereignisse bzw. Themen richtet (ich bin zuversichtlich, dass ich diese Prüfung bestehe) oder eine langfristige persönliche Geisteshaltung, die unser ganzes Leben durchzieht. In diesem Sinne ist Zuversicht mehr als „positives Denken“ oder „Optimismus“ und gleicht dem, was der bekannte Benediktiner David Steindl-Rast als „Lebensvertrauen“ bezeichnet. In der Zuversicht schwingen auch Einstellungen wie Lebensbejahung, Lebensmut, Zukunftsglaube, Glaube an das Gute oder Gottvertrauen mit.

Zuversicht - eine psychologische Zweigleisigkeit

Die Haltung der Zuversicht ruht auf zwei Grundannahmen oder wie es der bekannte Managementautor Jim Collins nennt, auf einer wirkungsvollen „psychologischen Zweigleisigkeit“. Ein in diesem Sinne zuversichtlicher Mensch nimmt einerseits mit einem nüchternen Blick die Realität und Faktizität der aktuellen Situation wahr; d.h. er macht sich keine Illusionen und bewahrt sich andererseits einen Glauben an ein gutes Ende. Hierzu zwei Beispiele.

In seinem Bestseller „Der Weg zu den Besten“ beschreibt Collins die Lebensgeschichte des amerikanischen Kriegsveteranen Jim Stockdale, der 8 Jahre vietnamesische Gefangenschaft überlebte und dies u.a. auf seine zuversichtliche innere Haltung in dieser schweren Zeit zurückführte: „Das ist eine ganz wichtige Lektion: Über dem Glauben an ein gutes Ende – an dem man immer festhalten muss – darf man nicht vergessen, sich mit den brutalen Tatsachen der momentanen Situation auseinanderzusetzen, wie schlimm diese auch sein mögen“.

Eine ähnliche Erfahrung machte der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl. In seinem ergreifenden Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ schildert Frankl eindrucksvoll, wie er das Konzentrationslager überlebte. Nach seiner Beobachtung überlebten nicht die „Optimisten“, die z.B. daran glaubten, dass sie an Weihnachten oder Ostern freikommen würden, sondern die Menschen, denen es möglich war, auch noch unter inhumansten Bedingungen einen Sinn im Leben zu sehen. Das konnte die Familie, ein geliebtes Kind, ein Partner oder eine wichtige Aufgabe sein. „Man musste also den Lagerinsassen das ‚Warum‘ ihres Lebens, ihr Lebensziel, bewusst machen, um so zu erreichen, dass sie auch dem furchtbaren ‚Wie‘ des gegenwärtigen Daseins, den Schrecken des Lagerlebens, innerlich gewachsen waren und standhalten konnten“.

Eine der wichtigsten Quellen der Zuversicht ist also die Erfahrung von Sinnhaftigkeit: Wer sein Leben und Tun als sinn- und wertvoll erlebt, kann mit Schwierigkeiten besser umgehen und Krisen leichter bewältigen. Das hat wohl auch der tschechische Menschenrechtler und Staatspräsident Václav Havel so erlebt, der einmal sagte: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“

"Manchmal trifft Dich das  Leben wie ein Ziegelstein. Verliere dann nicht die Zuversicht."

Steve Jobs

Zuversichtlich sein - innere Freiheit haben

Viktor E. Frankl, Begründer der sogenannten Existenzanalyse und Logotherapie, macht in seinen Arbeiten auf einen weiteren psychologischen Aspekt aufmerksam, der in der Haltung der Zuversicht aufscheint: Die innere Freiheit. Seine Forschungen brachten ihn zur Erkenntnis, dass wir als Menschen nicht „Sklaven“ der Umstände sind, sondern immer eine Wahl haben, eine innere Freiheit, wie wir mit einer Situation umgehen.

Lassen wir dazu nochmals Frankl zu Wort kommen: „Wer von denen, die das Konzentrationslager erlebt haben, wüsste nicht von jenen Menschengestalten zu erzählen, die da über die Appellplätze oder durch die Baracken des Lagers gewandelt sind, hier ein gutes Wort, dort den letzten Bissen Brot spendend? Und mögen es auch nur wenige gewesen sein – sie haben Beweiskraft dafür, dass man dem Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht: die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen.“

Ein zuversichtlicher Mensch ist sich dieser inneren Freiheit bewusst und versucht die Möglichkeiten der jeweiligen Situation ausfindig zu machen, mögen sie auch noch so klein sein. Der bekannte ZEIT-Wissenschaftsredakteur Ulrich Schnabel illustriert dieses existenzanalytische Grundaxiom in seinem lesenswerten Buch „Zuversicht. Wie wir in Krisenzeiten die innere Freiheit bewahren“ eindrücklich an der Lebensgeschichte von Stephen Hawking.

„Statt in Selbstmitleid zu versinken, fokussierte er sich klugerweise auf jene Spielräume, die ihm blieben. Er nahm sein Schicksal an, heiratete seine geliebte Jane und beschäftigte sich mit dem, was ihm am meisten Freude machte: Astrophysik“. Hawking vertrat die Ansicht, „dass sich behinderte Menschen auf die Dinge konzentrieren sollten, die ihnen möglich sind, statt solchen hinterherzutrauern, die ihnen nicht möglich sind.“

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Zuversichtlich in die Zukunft blicken

Zuversichtlich sein - die Dinge in die Hand nehmen

Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat einen identischen Blick auf diese Lebenshaltung. In seinem Artikel „Die Pflicht zur Zuversicht“ beschreibt er Zuversicht als eine Haltung, die weder optimistisch noch pessimistisch, sondern POSSIBILISTISCH ist: „Wer Zuversicht hat, ist nicht auf ein fixiertes Ergebnis aus, er traut sich nur zu, mit den Möglichkeiten umzugehen“. Ein zuversichtlicher Mensch trage eine Überzeugung in sich, die in der kognitiven Psychologie als Selbst-Wirksamkeit beschrieben wird – das Vermögen einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können.

Ein zuversichtlicher Mensch, so Horx, sieht die Welt – und ihre Gestaltbarkeit – von der Zukunft aus. Er fixiert sich nicht auf das Problem, das durch Anstarren immer größer wird, sondern interessiert sich für Lösungen. Auch die bekannte Psychotherapeutin Verena Kast vertritt diese Position und schreibt: „Wann immer Ängste uns lähmen, bleiben wir Opfer der Situation. Wo immer wir mitgestalten, eröffnen wir Möglichkeiten zu Veränderungen und damit auch die Zuversicht und Vorfreude darauf“.

Quellen der Zuversicht

Empirische Studien haben wiederholt gezeigt, dass Menschen, die eine Lebenshaltung der Zuversicht, Hoffnung und Sinnhaftigkeit entwickelt haben, resilienter sind, sich besser von Schicksalsschlägen und Krankheit erholen sowie trotz aller Einschränkungen ein gutes Lebensgefühl und Lebensfreude entwickeln können.

Die Wege zur Stärkung und zum Ausbau einer zuversichtlichen Sicht auf die Welt und das eigene Leben sind vielfältig und individuell. Von daher verstehen sich die folgenden Anregungen nicht als Blaupause, sondern als Anstöße, seine bisherige Haltung zu überprüfen.

Zuversichtliche Menschen sind in Resonanz mit sich und der Umwelt. Nach den Erfahrungen des deutschen Soziologen Hartmut Rosa haben sie eine lebendige Verbindung zu anderen Menschen, zur Natur, zu ihrer Arbeit. „Das Leben gelingt nicht allein, wenn wir reich an Ressourcen und Optionen sind, sondern wenn wir es lieben.“, so Rosa.

Zuversichtliche Menschen verfügen über ein tief verwurzeltes Lebensvertrauen, so die These von Bruder David Steindl-Rast. Sie vertrauen darauf, gut durchs Leben geführt zu werden und glauben, dass es immer einen Weg durch die Krise oder Enge gibt, auch wenn es ganz schwierig sein wird. Lebensvertrauen lässt uns durch die Angst gehen.

Zuversichtliche Menschen leben und agieren beitragsorientiert und nehmen eine Gestalterhaltung ein. Sie sind weniger auf sich selbst fokussiert, sondern fragen sich, was sie für andere tun können. Das bringt sie aus der Opferrolle heraus und lässt sie das erleben, was man Selbstwirksamkeit nennt.

Zuversichtliche Menschen zeichnen sich durch eine humorvolle Denkweise aus. Das hilft innere Distanz zu belastenden Erlebnissen oder Situationen zu gewinnen und drohenden Ohnmachtsgefühlen zu entgehen.

Zuversichtliche Menschen verzichten weitgehend auf soziale Vergleiche und versuchen weniger negative Nachrichten zu konsumieren. Damit vermeiden sie den sogenannten „Negativitätsbias“, weil wir Menschen Negatives instinktiv für wichtiger als Positives halten und unser Gehirn Negatives vordringlich behandelt.

Zuversichtliche Menschen sind in Bewegung – innerlich und äußerlich. Untersuchungen zeigen, dass schon einfache körperliche Bewegungen, wie Spazierengehen, Fahrradfahren, Yoga, Tanzen etc. helfen können, trübe Stimmungen zu verarbeiten. Innerlich beweglich bleiben wir, wenn wir immer wieder die Perspektive wechseln, mit einem anderen Blick auf das eigene Leben schauen – z.B. aus der Vogelperspektive.

Zuversichtliche Menschen gehen aufrecht durchs Leben. Eine gebeugte Haltung fördert tatsächlich eine niedergedrückte Stimmung, die aufrechte Haltungen eher die Zuversicht.

Letztlich sind zuversichtliche Menschen dankbare Menschen. Dankbar sein hilft uns, das Gute im Leben zu finden, unseren Fokus auf das Wertvolle zu erweitern. Wer dankbar für die kleinen Augenblicke, Begegnungen, Erkenntnisse im Leben ist, lenkt seine Wahrnehmung aktiv auf das Schöne.

Bleiben Sie zuversichtlich!

Gerhard Herb

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Quellen:
  • Natalie Knapp. Der unendliche Augenblick. Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind.
  • Ulrich Schnabel: Zuversicht. Wie wir die innere Freiheit bewahren. Blessing Verlag
  • Jim Collins. Der Weg zu den Besten. Die sieben Management-Prinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg.
  • Viktor Frankl. Trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager.
  • https://www.horx.com/schluesseltexte/die-pflicht-zur-zuversicht/
  • https://magazin.mein-erbe-tut-gutes.de/wissenswertes/die-kraft-der-zuversicht
  • https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/psychologie-gluecklich-durch-zuversicht-a-1263279.html
  • http://www.kollegpostwachstum.de/sozwgmedia/dokumente/Thesenpapiere+und+Materialien/Thesenpapier+Krise+_+Rosa.pdf
  • https://www.bibliothek-david-steindl-rast.ch/bibliothek/texte/interviews-mit-bruder-david/1957-von-augenblick-zu-augenblick

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„Unser größter Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“

Nelson Mandela